Re: Auf der Suche nach deiner Seele
von Judith » 27.10.2008, 17:40
Vielleicht... vielleicht auch nicht, aber es spielte noch nichtmals eine besondere Rolle. Ihre Sachen... sie war nie jemand gewesen, der irgendwelche Dinge ansammelten, nur weil sie hübsch waren. Kleidung, Figuren, Bilder, schöne kleine Dekoartikel... damit konnte sie nichts anfangen. Noch nicht einmal ihre Möbel erfüllten einen anderen Sinn als den, dass sie ihren Zweck erfüllten. Bücher waren eine Ausnahme. Sie waren mehr als nur Seiten und Druckerschwärze, sie waren... alles. Wissen. Unsinnsin. Von der Lüge bis zur Wahrheit und den unendlich vielen Grauschattierungen dazwischen, von der Phantasie bis zu knallharter Realität enthielten sie alles und noch viel mehr. Enthielten das, was ihr in der wirklichen Welt so oft fehlte. Und gerade jetzt, wo es selbst die Welt, an die sie gewohnt war, nicht mehr gab, fühlte es sich tröstlich an, zu wissen, dass ihre Bücher immer ihre Bücher bleiben würden, die vielen kleinen Welten, die hinter den Buchdeckeln auf sie warteten, unverändert dadurch, dass ihr gesamtes Leben auf dem Kopf stand. In eine dieser Welten entfliehen zu können, mitzufühlen, ohne verletzt zu werden. Sie zu lesen, war ebenso wundervoll, wie sie zu verkaufen. Einen Menschen zu betrachten und sich zu fragen, in welche Welt er sich wohl gerne einträumen würde, und ihm diesen Traum in die Hände zu geben - vielleicht ein bisschen zu poetisch ausgedrückt, aber sie konnte sich keinen anderen Beruf vorstellen, der sie so... glücklich gemacht hätte. Warum sonst würde sie seit Jahren um den Erhalt des Ladens kämpfen, anstatt sich einen vergleichsweise sicheren Job zu suchen, bei dem für sie nichts auf dem Spiel stand. Das alles endgültig aufzugeben, würde weh tun. Wie grauenvoll es sich angefühlt hatte, ohne einen Teil ihre Seele leben zu müssen. Dieser Laden war ebenfalls ein Teil ihrer Seele, ihr ganzes Herz hatte sie daran gehängt. Vielleicht auch, weil sie sonst kaum etwas hatte, aber wenn es nur möglich wäre, diesen Teil ihres Lebens zu erhalten... unschlüssig verstaute sie ihre Kleidung und einige ihrer liebsten Bücher in dem Koffer und hinderte sich erneut daran, sich einen Kaffee zu machen. Legte sich aufs Bett und stand wieder auf, ging zum Telefon. Vor dem Professor gab es noch einen anderen Menschen, den sie anrufen musste, vor allem, weil er wohl bald nicht mehr in ihrer Nähe sein würde. Und zu merkwürdig war sein plötzliches Aufbrechen nach Amerika. Er war ihren Fragen ausgewichen, und selbst, wenn sie ihm die Wahrheit nicht entlocken konnte, es hatte nicht viele Menschen gegeben, mit denen sie es bisher zu tun gehabt hatte. Sie mochte Vash, und zumindest ein Wort des Abschieds kam ihr nötig vor.
Playing the obedient daughter
brought you where the wolfbane grows