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De bor i minne





De bor i minne

Beitragvon Judith » 23.02.2014, 17:58

Sie schwebt in einem leeren Raum. Die Last ihres Körpers ist fort, der sie an die Welt fesselte. Dichter, undurchdringlicher Nebel streicht über ihre Seele. Diffuse Lichter in der Ferne, flackernd, stumpf, schwer auszumachen. Sie verschwinden, sobald man sie ansieht.

Sehen. Es funktioniert so anders jetzt. Sie blickt nicht durch Augen um sich, nicht mehr durch ihre Wimpern hindurch, an ihrer Nase vorbei. Alles um sich herum nimmt sie wahr, alles, was hinter ihr, vor ihr, über ihr und unter ihr ist. Frieden erfüllt sie. All die Schmerzen... fort? Ja, Da waren Schmerzen. Doch sie kann sich nicht erinnern. Sie spürt, da war ein Leben - kein langes, aber ein tiefes Leben - aber jetzt ist es fort und spielt keine Rolle mehr. Sie ist Auryn Tar'Iareth, und... es gibt etwas, das sie tun muss. Nun, da es ihr klar wird, spürt sie diesen Drang, der schon die ganze Zeit unter der Oberfläche schlummerte. Etwas, das sie tun... ein Ort, an den sie gehen muss. Ja... das scheint ihr richtig. Sie darf nicht in diesen Nebeln zurückbleiben, oder der Friede, den sie spürt, wird vergehen. Es ist nur der Weg... an einen anderen Ort. Der Weg, den sie nun gehen muss. Doch Auryn kann sich nicht rühren. Sie wüsste nicht, wie. Als sie noch einen Körper hatte, da konnte sie ihren Füßen befehlen, sie zu bringen, wohin sie auch immer wollte. Nun ist alles anders.

Wie still es ist. Keine Geräusche. Kein Herzschlag mehr, nicht ihr Atem, der sonst immer bei ihr war... auch in Momenten der größten Stille um sie herum. Nur der Nebel, der sie zu berühren vermag, um sie herum in dichten Schlieren zieht und zerfasert.

Plötzlich ist da noch etwas anderes. Jemand anderes, direkt bei ihr. Eines dieser Lichter... flackernd und unstet und... es empfindet. Sie begreift, dass es ist wie sie... eine Seele, frei von ihrem Leib, mitten in diesen Nebeln. Und irgendwo jenseits von dem, woran sie einen anderen Menschen sonst erkennt... realisiert sie, es ist eine der kleinen Skata. Eine Elster kurz vor ihrer Weihe, um Fassung bemüht angesichts des Schlachtfeldes. Aber darüber nachzudenken, ist schwer. Darüber nachzudenken... was vorher war.

'Ich finde den Weg nicht! Ich kann mich nicht bewegen...', vernimmt sie ein Flüstern. Es durchbricht die Stille und macht Auryn klar, dass selbst wenn sie sich regen könnte... da nur der Nebel wäre und nichts als der Nebel in alle Richtungen, und nicht das Wissen, wohin sie gehen muss.

Dabei war es immer ihre Aufgabe, anderen zu sagen, wohin sie gehen sollten. Sie weiss es noch. Andere sahen zu ihr auf und warteten darauf, dass sie ihnen den Weg wies. Und sie tat es. Es ist verstörend, der Kleinen nicht sagen zu können, was sie nun tun muss... hier sind sie gleich, das junge Mädchen und sie, die... gar nicht so viel älter war an Jahren, doch an Erfahrung. Man wird schnell erwachsen im Norden. Und niemals ist man ganz Kind, wenn man schwarz und weiss und eine Waffe trägt.

Sie möchte etwas sagen. Irgendetwas sagen, um ihr wenigstens Trost zu geben.

Ja... auch das weiss Auryn noch. Trost ist das letzte Gefühl, wo kein Rat mehr ausgesprochen werden kann. Auch das beherrschte sie gut. Eine sanfte Stimme und Zuversicht. Und so viele Menschen, die sich danach sehnten. Wenn ihnen die Heilkunst nicht mehr helfen konnte und die letzten Sekunden ihrer Existenz sie mit Furcht erfüllten.

Auryn kann nicht sprechen. Wie hat die Skata das getan? Sie selbst, die Elster, bringt keinen Ton heraus. Da ist ein unangenehmer Druck auf ihrem Brustkorb.

Ihr Götter. Sie erstickt! Panik steigt in ihr hoch. Sie bekommt keine Luft!

Aber... atmen? Weswegen? Ihr Körper ist fort, das macht doch überhaupt keinen Sinn...

Ein harter Schlag trifft ihren Brustkorb. Noch einer. Und noch einer. Und mit einem Mal weiss Auryn Tar'Iareth wieder, was Schmerzen sind. Sie sind überall. Sie rasen durch sie hindurch und jedes ihrer Nervenenden scheint in Brand zustehen. Ihre Augen... ihre Augen! Sie stehen in Flammen, schwarzen, verzehrenden Flammen, und sie ist blind...

Der nächste Schlag bricht ihr eine Rippe. Sie hört es bersten, und die Pein bringt sie bis an den Rand ihres neu gewonnenen Bewusstseins.

Lippen legen sich auf ihre. Sie sind rau und aufgesprungen und schmecken nach Blut. Verflucht, das ist neu. Sie ist eine Elster, und niemals hat sie fremde Lippen auf ihren gespürt. Es kratzt. Ein Bart?

Luft in ihren Lungen! Verflucht, das tut so weh! Doch da ist Luft und sie spürt, wie sehnsüchtig ihr Körper den Sauerstoff aufnimmt. Diese Lippen schenken ihr Atem, drei, vier tiefe Züge, die die Panik vertreiben. Sie muss nicht ersticken. Jemand tut für sie, was sie nicht kann. Jemand atmet. Wieder ein Schlag. Ein neuerliches Knacken. Ihr wird schrecklich übel. Sie hat gelernt, Schmerzen zu ertragen. Dies hier jedoch ist nicht vergleichbar mit irgendetwas, das sie kennt. Der nächste Schlag trifft sie.

Und dann, plötzlich, dröhnt es in ihrem Körper. Sie braucht eine Weile, bis sie begreift, dass es ein Herzschlag ist. Wo zuvor keiner war. Wie still es ist, ohne ein schlagendes Herz. Blut schiesst durch ihren Leib. Irgendetwas stimmt da nicht. Alles fühlt sich zerschlagen und verkehrt an. Sie kann sich immer noch nicht rühren. Doch ihr stures Herz treibt Blut durch ihre Adern, zuckt unter dem Käfig aus gebrochenen Knochen.

Wieder senken sich die fremden Lippen auf ihre, gerade, bevor die Angst wiederkam. Wieder findet kalte Luft ihren Weg in ihre Lungen. Hände halten ihr Gesicht. Sie spürt Finger, wärmer als ihre Haut, aber immer noch fürchterlich kalt. Sie riecht Blut und Rauch und den Gestank des Todes überall um sie herum, sie riecht Leder und das Öl, das die Soldaten für ihr Rüstzeug verwenden. Ein Kettenhemd schabt über Schulterplatten. Ein Atemzug. Noch einer. Plötzlich weiss sie wieder, wie es geht. Keuchend holt sie Atem, und die Luft ist so eisig, dass sie fast das Bewusstsein verliert. Die Hände, die ihren Kopf bergen, zucken kurz.

"So ist's Recht...", hört sie jemanden sprechen. Eine tiefe, raue Männerstimme, die sie nicht kennt.

"Atmen... ganz langsam, ist genug Luft für uns beide da, hm? Genau... ruhig, ganz ruhig, ich halt' dich fest... nimm dir noch 'n Moment, bevor du was sagt, komm erstmal wieder zu Atem..."

Ein leises Lachen, es klingt... gebrochen. So unendlich erschöpft.

"S' ist ja auch nicht so, als gäb's jetzt viel zu sagen... naja... nichts, oder 'ne Menge, möcht' ich meinen... und wir seh'n beide nicht aus, als könnten wir noch sprechen... wir seh'n ja nichtmals aus, als könnten wir noch leben..."
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Judith
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von Anzeige » 23.02.2014, 17:58

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Re: De bor i minne

Beitragvon Auryn » 23.02.2014, 21:36

Ich bin. Ich war.

Einmal, dass diese Frage so einfach war zu beantworten. So klar. Ich lebe, also bin ich. Jetzt… war ich? Bin ich… nicht mehr? Oder… bin ich doch noch? Kann ich noch sein… leiblos… körperlos? Was bleibt noch von einem Menschen ohne all das? Hier inmitten der grauen, zerfasernden Nebel scheint das alles gleich… mir unwichtig. Ohne Bedeutung. Was bedeutet es schon an diesem Ort, wo Schmerzen nur noch Erinnerung sind? Schmerzen… das Wort war einmal bedeutsam für den Funken, der ich bin. Es gab sie… Schmerzen, aber nun sind sie fort und ich schwebe… frei… bin ich frei?

Dies ist kein Ort, um zu bleiben. Der Gedanke… die Erkenntnis kommt von irgendwoher, aus einer Tiefe, in die kein bewusster Gedanke zu dringen vermag… mehr ein Gefühl, denn eine Entscheidung. Ich muss gehen, aber ich weiß nicht wie. Gehen war einmal so einfach… so selbstverständlich wie atmen… weinen… lachen… aber nun… wie geht man ohne Beine? Das hat mir nie jemand erklärt... Die Stille selbst ist fremd, eine Stille, die man nie erfährt… im Leben… leb ich… noch? Der Gedanke ist kaum gedacht, da ist er schon wieder fort, verbrannt durch das Licht… das Licht, das fühlt, flackernd und blass wie eine verlöschende Kerze… eine, die ist… wie ich. Was bin… ich? Elster. Der Begriff kommt von irgendwo und ich weiß, einmal war dies… alles… und sie flüstert leise. Der Weg… welcher Weg? Einmal da hab ich´s gewusst. Der Weg mir so klar… so einfach… und ich hätte ihn ihr gesagt. Einmal, da gab es eine Zeit, in der ich den Weg wies… in der sie mich anblickten mit großen Augen… so jung… und ich wusste. Jetzt… ist alles fort. All die Worte, all der Trost, all die Hoffnung… all die Liebe.

Ich bin. Ich war…. einmal.

Luft. Mit einem Mal ist es da und es ist übermächtig… das Bedürfnis nach Luft. Atmen… ich will… atmen… ich kann nicht… atmen! Und plötzlich sind sie da und das Wort, das vorher bedeutungslos war, erringt nun innerhalb eines Augenblicks all seine Schwere zurück… Schmerzen. Schmerz rast durch meinen Körper, Schmerz wie Feuer, sengend… brennend… verbrennt es mich und meine Augen… meine Augen…! Das Bersten von Knochen bringt eine neue Art von Schmerz und er jagt meine Seele davon… lässt sie fliegend davon torkeln irgendwo in Richtung einer Dunkelheit, die nicht der Nebel ist… ich weiß, sie ist Schwärze und verschlingend und ich will… nicht…

Luft. Haut auf meiner und ich weiß um die Lippen… das Blut, metallisch und rot… niemals nie… aber es spielt keine Rolle, sie bringen Luft. Atem… jeder Atemzug trägt den Schmerz mit sich wie ein Messer, dass sich in meine Brust bohrt… und süße Luft… ihr Götter… und neue Schmerzen. So grausam, dass mir übel wird… ein Wort, das mir fremd war bis zu jenem Augenblick… und dann… das Geräusch. Ein Dröhnen in meinem Kopf… wieder und wieder und wieder… Herz… schlag. Meins. Herz. Ich lebe… noch? So ganz sicher weiß ich´s nicht.

In meiner Nase sind Gerüche… Öl und Leder und Metall und sie gewinnen ihre Bedeutung im selben Moment, in dem sie mich erreichen… von irgendwoher treibt das Blut die Namen, wenn auch nicht mehr. Atmen… atme… und plötzlich erinnre ich mich… und hole keuchend Atem, kühle, süße Luft… brennend in meinem Kopf… verbrennt mich… dass die Schwärze zurück kehrt und nur der Schmerz mich daran erinnert, dass ich… was? Am Leben...

Die Stimme… seine Stimme fliegt an mir vorüber und ich muss mich mühen, die Worte zu greifen, ehe sie verloren sind im keuchenden Rhythmus meines Atems… dem Dröhnen meines Herzens… dem Schmerz, der mehr ist… zuviel für einen Menschen.

Ich war. Ich bin.

"Bin ich…" Blut. In meinem Mund ist Blut und ich huste die Worte… nur ein Flüstern begleitend von dem Dolch in meiner Brust. Aber ich muss… es wissen. Muss… "…wirklich…?"
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Re: De bor i minne

Beitragvon Judith » 23.02.2014, 21:48

"Es tut mir leid...", sagt nach einem kleinen Moment die Männerstimme. Es ist nicht still, während er schweigt. Da krächzt es im Hintergrund. Und der Wind. Sie kann den Wind hören.

"Ich versteh' dich nicht."

Und er selbst... nicht schwierig zu verstehen. Aber das Sprechen, das strengt ihn an. Und dann geschieht irgendetwas. Sie hört, wie er einatmet, erschrocken klingt das... dann legt sich ein schwerer Arm um ihre Schultern.

"Und... ich kann dich auch nicht tragen. Entschuldige... nach all dem... kann ich dich nicht einmal tragen... Aber stützen, das schaff' ich."

Kurz zittert die Pranke auf ihrer Schulter.

"Wir... wir versuchen jetzt einfach... zusammen aufzustehen."

Da ist noch ein anderes Geräusch. Es ist gar nicht laut. Eine Art Kratzen ist es, ein Schaben. Und obwohl sie es nicht einorden kann, wird ihr noch eine Spur kälter.
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Re: De bor i minne

Beitragvon Auryn » 23.02.2014, 22:35

Seine Worte sind mir Ablehnung, obwohl er´s nicht so meint. Ich weiß, er meint es nicht so… kann mir nicht sagen, was ich wissen will. Keine Lüge. Aber mein Bedürfnis, dieses drängende Bedürfnis… zu wissen… kann er nicht befriedigen. Über seine Stimme liegt die des Windes, kühl und scharf… und mehr. Er hört es auch, was auch immer es ist, während mein Geist an der brennenden Fackel des Nichtwissens vergeht… und sein erschrockener Atem mich daran erinnern will, dass es noch mehr gibt als Schmerz und Dunkelheit.

Dann entschuldigt er sich und es erscheint mir falsch… verkehrte Welt… ich… helfe… ist es nicht so? Es wär meine Aufgabe ihm die Last abzunehmen… Trost… nein? Aber dort, wo die Erinnerung sein sollte… das, was ich bin… ist es nur leer. Eine Dunkelheit… das Nichts. Aufgefressen.

"Es… ist nicht…" Ich hör mich selbst kaum, jedes Wort, das mir die Tränen in die Augen treibt. Aber… es ist wichtig. Es ist doch wichtig… nein? "…deine Schuld." Ob´s stimmt? Ich kann mich nicht erinnern, aber es ist auch egal. Nicht wichtig.

Da ist dieses Kratzen und es kriecht mir über die Haut. In meinem Nacken stellen sich die Haare auf… ein Schatten. Schattendunkel. Ich muss… aufstehen… aufstehen… plötzlich weiß ich, dass ich muss, egal wie. Ein Instinkt von tief drinnen, der mir flüstert… lauf!

Ich erinnere mich nicht daran, wie´s geht aufzustehen, aber irgendetwas in mir tut es wohl, obwohl sich alles falsch anfühlt… wie… verkehrt… und sengender Schmerz mich Brennen machen will. Vielleicht würd ich fallen… aber da ist die Hand… die hält mich… nein?
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Re: De bor i minne

Beitragvon Judith » 23.02.2014, 22:52

Die Welt schwankt. Oder Auryn selbst, wie kann man so etwas bestimmen mit der absoluten Dunkelheit um sie herum, und mit einem Körper, der sich so fremd anfühlt? Bestimmt gab es eine Zeit, wo sie nicht einmal nachdachte über all die Bewegungen, die sie tun liessen, was sie tun musste, die sie hinbrachten, wohin sie gehen musste. Und jetzt gibt es nur noch eine richtig. Fort. Fort von hier. Der Soldat atmet nicht, während er sich mit ihr erhebt, während er sie so sehr stützt, dass sie nicht fällt... aber nicht so fest, dass sie die Mühe nicht spüren würde, die ihn das kostet. Der Arm legt sich um ihre Hüfte, ihren Arm legt er um seine Schulter... tastende Finger finden einen starren Riemen, der seine Rüstung halten mag, in den man sich krallen kann.

"Hut. Und jetzt... gehen wir heim...", sagt der Mann, mit brummender, tiefer Stimme, atemlos. Sie stehen. Warum fühlt sich das an wie die anstrengendste Sache, die sie je getan hat. Für den Bruchteil einer Sekunde möchte ihr Verstand ihr sagen, dass es einfacher wäre, sich wieder nieder zu legen, möchte alles ausblenden, selbst die Angst vor dem Tod... denn da, wo sie schon war, da gab es keine Schmerzen, und jetzt so schrecklich viele. Aber dann schabt es erneut. Nicht an derselben Stelle, ganz woanders... und dann direkt hinter ihr. Und sie weiss ganz genau, dass sie sich niemals hinlegen wird, dass sie an einen Ort will, wo dieses Geräusch nicht ist. Sie fällt nach vorn. Nein, fällt nicht... wird gezogen, stolpert, als der Soldat den ersten Schritt macht. Bleischwer und anstrengend... verkehrt. Er belastet einen Fuß nicht richtig - eine seltsame Information, die durch ihren Kopf zuckt, und die sie nicht halten kann. Ihr ist so übel. Alles dreht sich. Sie sieht es nicht, spürt es aber. Kälte an ihren Füßen. Und... Nässe. Geschmolzener Schnee. Schaben. Kratzen. Der Soldat atmet schneller. Und dann beginnt er einfach zu gehen. Langsam zuerst, doch die unregelmäßigen Schritte werden immer schneller. Er zerrt sie, wenn sie nicht rechtzeitig mitkommt, und jede Sekunde fühlt sich an wie stürzen. Nur dass sie nicht auf dem Boden landet. Der Boden ist nicht gerade.

"Ein Fluss-", stößt er hervor, "gleich... gleich dort hinten, wir müssen nur..."

Er spricht dann nicht mehr weiter, spart seinen Atem.
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Re: De bor i minne

Beitragvon Auryn » 24.02.2014, 23:29

Für einen Moment da frag ich mich… ist das hier noch echt? Inmitten dieser Dunkelheit, gefangen in einem Körper… ist das wirklich der meine? Vielleicht bin ich auf meiner Flucht aus dem Nebel in einen anderen gelangt… in einen Fremden. Eine wahnwitzige Idee, die da zwischen den losen Fäden meines Verstandes treibt… aber wär´s nicht möglich? Ich war nicht blind, meine Welt nicht schwarz, ich war frei zu gehen, wie ich wollte… wohin ich wollte. Ich lass das denken sein, weil das Stehen so viel Mühe ist und meine Finger krallen sich schmerzhaft in den Lederriemen… steifgefroren und die scharfen Kanten fügen mir noch ein paar weitere hinzu.

Für einen Moment frag ich mich… wieso. Wieso mich mühen, wieso all die Schmerzen ertragen… wieso… kann ich nicht einfach schlafen? Lass mich schlafen, will ich ihm sagen, lass mich zurückkehren, von wo du mich holtest. Lass mich… dann erklingt das Scharren erneut und jeder Gedanke daran zurückzubleiben wird davon gefressen. Ich falle… stürze… nein, ich… gehe. Ich… er zieht mich voran und wie er´s tut ist ebenso falsch wie ich. Sein rechter Fuß ist verletzt. Die nüchtern konstatierte Information geistert von irgendwoher durch meinen Geist und verschwindet auf der anderen Seite wieder, während Schwindel nach mir greift und die Übelkeit mich überflutet, einer Welle gleich. Ich muss husten… wieder husten und es treibt mir ein weiteres Messer in die Brust, aber ich versuch nicht hinzuschauen. Ich taumle weiter ohne zu wissen wie… immer weiter… weiter… dem Fluss entgegen durch den Schneematsch… die Kälte… immer… weiter… und in meinem Kopf ist kein Platz für mehr.

Weiter. Geh. Weiter.
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Re: De bor i minne

Beitragvon Judith » 24.02.2014, 23:48

Sie hört es rauschen, erst leiser, doch es wird stetig lauter. Zuerst glaubt sie, es sei nur ein Ton... ohne Bedeutung, doch dann macht der Soldat einen Satz, der sie von den Füßen reisst. Plötzlich wird es eiskalt. Die Luft bleibt ihr weg, nur für ein paar Sekunden, während eine starke Kraft an ihrer Kleidung reisst. Eine Hand legt sich unter ihr Kinn, hält es oben, während das Wasser ihr bis zum Hals geht. Es ist so schrecklich kalt. Und es fühlt sich an wie Schweben... eine reichlich unbequeme Art des Schwebens. Der Soldat atmet schwer, und sie hört, wie er sie weiter vorwärts bringt, arbeitet gegen die Kraft, die sie stromabwärts reissen möchte. Dann plötzlich stoßen sie gegen etwas, einen Stein oder dergleichen. Es ist nicht sehr schmerzhaft, und kurz darauf kommt Stück für Stück die Schwerkraft zurück. Da ist Boden unter ihren Knien und ihren Händen. Der Soldat steht nicht auf, noch nicht... atmet nur, hustet ein wenig. Der Wind beisst in ihre Kleidung und ihre Haut.

Da ist etwas an ihrem Hals. Es krabbelt aus ihrem Haar und auf die Haut. Kleine... harte Beinchen... viele. Langsam hoch zu ihrem Ohr.
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Re: De bor i minne

Beitragvon Auryn » 25.02.2014, 22:38

In der Ferne kommt das Rauschen und es ist wie jenes in meinen Ohren… das, was mein Herz erschuf, als es mit dem Schlagen erneut begann. Doch dieses hier ist anders und es gewinnt an Stärke, je mehr Schritte wir tun… wir schaffen zu gehen. Dann plötzlich ist er fort… ist er und seine Abwesenheit reißt mich von den Beinen inmitten eines eisigen Bettes aus Wassers. Für einen Moment tanze ich willenlos geführt von der unnachgiebigen Hand der Fluten, dann ist da eine andere, die mich ergreift… Luft… und seine Hände zerren mich durch den Strom.

Irgendwann… und es erscheint mir Ewigkeiten inmitten weiterer Ewigkeiten, sind da mit einem Mal Steine unter meinen Händen, Boden unter meinen Knien und ich finde mich auf alle Vieren wieder, in meinen Ohren mein eigener keuchender Atem, während das eisige Wasser für einen Moment den Schmerz mit sich hinfort genommen hat. Es könnte fast… nur fast… friedlich sein.

Da ist etwas an meinem Hals. Von plötzlicher Panik erfüllt schlag ich danach, ziellos, aber dafür umso heftiger. Mit einem Mal ist Vernunft nur ein Wort, ein Konstrukt, aber ohne Inhalt. Ich weiß nicht, ob es… das Ding… längst fort ist, ich mach immer weiter…. weiter…
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Re: De bor i minne

Beitragvon Judith » 25.02.2014, 22:49

Da zuckt etwas unter deinen Händen, krallen sich kleine Beinchen in deine Haut. Nach dem ersten Schlag ist es noch nicht tot, versucht, weiter ins Haar hinein zu rennen. Aber deine Reflexe sind gut - zu gut, eigentlich, als dass du das noch nie gemacht hättest, als dass du nicht genau wüsstest, wie viel davon abhängt. Nach dem zweiten Schlag knackt es leise, und etwas flüssiges läuft deinen Hals hinunter. Dann ist auch schon der Soldat zur Stelle, der, rein nach dem Geräusch, vermutlich einen Plattenhandschuh trägt. Als er das... was auch immer es ist... (Spinne, flüstert es in deinen Gedanken) packt, knackt es noch ein wenig lauter, und dann ist es still.

"Skit...", murmelt er dann. Er klingt so entsetzt. "Ist dir etwas geschehen? Ist sie... war es... war das die einzige?...erlaubst du?"

Erlaubst du was?
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Re: De bor i minne

Beitragvon Auryn » 25.02.2014, 23:28

Es würgt mich, als es knackt… das Gefühl von herunter rinnendem… was? an meinem Hals vermischt sich mit der Panik, dann ist er plötzlich da und greift… es… Spinne… und ich bin plötzlich wieder allein mit meinem keuchenden Atem und dem Geschmack von Blut im Mund. Plötzlich überkommt mich das Bedürfnis nach sauberen Händen… Die Hände müssen nach jedem Kontakt sorgfältig gereinigt werden... und ich strecke meine Finger ins Wasser und beginne sie mechanisch zu schrubben… eine Bewegung ohne nachzudenken. Viel zu oft getan.

Die Worte des Soldaten klingen von fern an mein Ohr, als spräche er aus einer anderen Welt… einem anderen Leben. "Nein…" murmel ich. "Nein… ich… was… soll ich…" Meine Gedanken drehen sich im Kreis und keiner ist fest genug ihn zu greifen.
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Re: De bor i minne

Beitragvon Judith » 25.02.2014, 23:46

Das Wasser ist gar nicht mehr so kalt, oder... die Hände gar nicht mehr so warm. Es spült die Überreste der Kreatur fort, und erst jetzt merkst du, dass die Haut sehr schmutzig gewesen sein muss... verkrustet mit etwas, das sich jetzt löst und ebenfalls vom Strom weggetragen wird. Der unbekannte Soldat lässt dir das Gestammel, bevor es leise scheppert... er legt den Handschuh ab?

"Helare... ganz ruhig...", sagt er, das klingt beinahe sacht. Er hat eine tiefe Stimme. Helare... helare? Heiler? Ist es das, was du bist?

"Ich möchte nur schauen, ob da noch mehr in deinem Haar sind... 's sieht aus, als hättest du eine große Wunde am Kopf, wenn sie... die finden, dann..."

Dann ist es vorbei. Dann passiert etwas schreckliches. Du weisst das... und wunderst dich. Dass er es nicht einfach tut, dass er um Erlaubnis fragt. So vorsichtig.
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Re: De bor i minne

Beitragvon Auryn » 26.02.2014, 00:02

Es ist nicht das, was er sagt, sondern das wie… dieser sachte Ton, der mich erinnert… erinnert… woran? Heilerin sagt er und ich warte… warte darauf, dass dieses Wort etwas weckt… den Vorhang hebt, die Schwärze zerreisst… aber da ist nichts. Ich atme zitternd ein, versuche zu tun, was er sagt… ruhig sein.

Sie dürfen mich nicht finden… nicht das Blut, nicht das Fleisch. Das Wissen ist mit einem Mal da, ungebeten, aber dennoch. Woher weiß ich das? Plötzlich bin ich wieder müde… so müde… hier im Wasser ist´s wärmer jetzt, wärmer als am kalten Wind, der mir den letzten Rest meiner eigenen Wärme von der Haut stiehlt wie ein verstohlener Dieb mitten im Winter. Ich nick ihm zu und die unbedachte Bewegung bohrt hämmernde Schmerzen durch meinen Schädel.

"Guck nur…" murmel ich. Nur ganz kurz… die Augen zu… wirklich… nur solange er schaut… versprochen.
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Re: De bor i minne

Beitragvon Judith » 26.02.2014, 00:12

Vorsichtig beginnt er, Strähne für Strähne durch die Finger gleiten zu lassen. Das scheint nicht leicht zu sein. Doch er sagt nichts dabei, und es scheint alles in Ordnung zu sein... ruhig, wie er bleibt. Nur die Finger, die zittern bisweilen. Schlafen scheint so verführerisch. Doch kaum ist dein Verstand weggedämmert, da fasst der Mann dich schon bei der Schulter und drückt leicht.

"Du solltest nicht einschlafen", sagt er, bedauernd, aber ebenso eindringlich. "Es ist kalt, und unsere Kleidung ist nass. Außerdem bleibt es nicht mehr lange hell. Wir haben nicht viel Zeit."

Ihr dürft nicht allein in der Dunkelheit sein. Die Finsternis frisst Menschen.

"Warte... ich helf' dir mit deinen Augen, und dann stehen wir wieder auf. Tut mir Leid... ich würd' mich auch gern hinlegen. Wenn du wüsstest, wie wir aussehen. Ein Wunder, dass die Krähen uns noch nicht anfressen..."

Er lässt von ihr ab, und sie kann hören, wie er eine Hand ins Wasser taucht.
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Re: De bor i minne

Beitragvon Auryn » 26.02.2014, 11:39

Ich zuck zusammen, als er mich an der Schulter packt. Ich sollte nicht… nein? Das Wissen, dass er recht hat, lässt mich den Versuch unternehmen mich aus den klebrigen Gespinsten zu befreien, die mich gepackt halten. Die nasse Kleidung… die Kälte… Wenn du jetzt einschläfst, wachst du vielleicht nie wieder auf. Da ist sie wieder, die nüchterne Stimme in meinem Kopf, die um solche Dinge weiß… die Heilerin? Ich weiß es nicht.

Meine Augen? Das Wort geistert an mir vorüber.. er hilft mir mit den Augen? Da gibt´s was… zum helfen? Ein Funke von etwas steigt in mir auf, das früher einmal Hoffnung war, aber jetzt ist es tot und kalt und grau… da reicht ein Funke kaum, um ein Feuer anzuzünden. "In Ordnung…" flüster ich und halte still, während er tut, was auch immer er tun will.
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Re: De bor i minne

Beitragvon Judith » 26.02.2014, 13:51

"Guck bloß nicht zurück auf die andere Seite...", brummt er, während etwas nasses deine Stirn berührt und sich dann weiter hinab arbeitet. Ein Tuch? Du spürst es gar nicht richtig auf deinen Lidern, irgendetwas ist da zwischen deiner Haut und dem vorsichtig tupfenden Stoff.

"Ich mein'... wir sehen alle unseren Teil davon im Leben, und wert ist's das mit Sicherheit... manche Sachen muss man einfach durchstehen, damit sie nicht statt dessen irgendwem anders passieren, der Frau oder den Kindern... oder denen, die's einfach nicht können. Damit die alle sicher sind, und sicher bleiben. Nur... schön ist es nicht."

Du spürst, wie sich unter dem Tuch langsam etwas zu lösen beginnt. Kann es sein, dass deine Augen die ganze Zeit geschlossen waren? Du blinzelst, und gleißendes Licht trifft auf deine Pupille.

"Nein, warte noch einen Moment", sagt er rasch. "Ich bin noch nicht fertig, und das Zeug tut weh in den Augen..."
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