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Eine solche Lebendigkeit in den Dingen, die du schreibst. Vielleicht kannst du mir ja glauben, dass es besonders diese Art zu Denken, zu Schreiben ist, die die Kälte meiner Existenz mit Wärme füllt, ein jedes Mal, wenn ich wieder Zeilen von dir in meinen Händen halte. So ein sprühendes, existentielles Leben... ist es das, was ihr Glamour nennt?
Nun lass mich die Fragen, die du mir gestellt hast, nach bestem Gewissen beantworten, und bitte bedenke, wenn du diese Antworten liest, das Folgende: Sie taugen zum Töten. In dem ich dir sage, was mich verletzen kann, lege ich dir das Wissen zu Füßen, dass fähig ist, meine Existenz zu beenden. Für niemanden ist die Wahrheit so gefährlich wie für mich und Unserereins, sieh es als ein Zeichen meines Vertrauens, meiner Reue - und der stillen Hoffnung, dass es dich retten könnte, sollte ich mich eines Tages vergessen. Vergiss du nicht.
Wie seltsam, was man über uns denkt. Äußerst merkwürdig, wie sich in den Köpfen der Menschen Wahrheit und Lüge vermischen. Beginnen wir mit dem Licht der Sonne und dem, was du dir wohl schon hierzu gedacht hast - ja, sie tötet mich. Verbrennt mich innerhalb einer kurzen Zeitspanne, die noch kürzer wirkt im Angesicht der Zeit, die ich nun schon am Leben bin. Ich muss in der Nacht Zuflucht suchen, wo alles seine Farben verliert - alles, nur du nicht, und Deinesgleichen. Nichts kann dir, kleine Lichtgestalt, dieses betörende Feuerwerk nehmen, dass dich umgibt. Wenn ich dich sehe, bist du ein leuchtendes Wesen inmitten all der Farben, die zu sehen mir seit meinem Tode nicht mehr vergönnt ist.
Was Kreuze angeht, nun, ich habe in einer menschlichen Ruhestätte auf einem Friedhof meinen Unterschlupf gefunden, der sich neben einer kleinen Kirche befindet. Beantworte dir die Frage, ob man mich mit den Symbolen des Christentums umbringen kann, selbst, du wirst sicherlich zu keiner unwahren Antwort kommen. Was das Wasser angeht, wird es dich vielleicht beruhigen, dass ich unbedenklich mit ihm in Berührung kommen kann, ohne Schaden zu erleiden. Auch wenn es fliesst, kann ich es überqueren - dies hattest du wohl gemeint? - auch wenn ich darauf hinweisen möchte, dass niemand, weder du noch ich, denselben Fluss zweimal überqueren kann... ein interessanter Gedanke, nicht wahr? Weiter, alles, was du als Waffe bezeichnen würdest, kann auch mich töten. Zu erklären, welchen Gesetzen mein Körper und die daran gebundene Existenz meiner Selbst unterliegt, würde hier sicherlich zu weit führen, doch für dich reicht es, zu wissen, dass ich verletzt werden kann, von Messern, Schusswaffen und allem, was du dir vorstellen kannst. Bedenke, dass ich sehr viel schneller heile, wenn ich dies wünsche... und da ich mich nach wie vor an meiner Existenz hänge, werde ich mir dies auch dann wünschen, wenn es den Tod für denjenigen bedeutet, der versucht, mich mit Waffengewalt aufzuhalten. Gelingt es dir dennoch, mich soweit zu verletzen, dass ich starr daliege und keine Regung mehr tue, bedeutet dies noch nicht meinen Tod. Etwas Blut könnte mich sofort zu neuem Leben erwecken, so würde ich dir immer empfehlen, zu Feuer zu greifen, wenn ich nun darnieder liege. Alles Dinge, die auch Morag dir erzählen könnte, doch ich lege mehr Wert darauf, dass du sie aus meinem Munde hörst. Ob ein Kainskind zu Staub zerfällt, wenn es stirbt, hängt mit dem Alter zusammen, dass es sich mit dem Blut anderer schon zusammengestohlen hat - wieder eine Formulierung, die nicht ich gewählt hätte, die du aber sicherlich finden wirst, wenn dir ein anderer über mich erzählt. Als ein Zeitgenosse Morags, die damals freilich anders genannt wurde, würde dies für mich bedeuten, dass ich zu Pulver würde, so fein, dass der Wind es binnen weniger Sekunden in die Welt verstreut hätte. Ein merkwürdiger Gedanke.